Potpourri Vase

Period von Johann Ludwig Eberhard Ehrenreich

Stralsund, um 1770

Fayence

Höhe: 31 cm  Inv. Nr.: 2039

Fayence mit polychromer Malerei in Blau, Violett, Gelb, Blaugrün. Birnenförmiger Gefäßkörper mit kurzem Hals. Flach gewölbter Deckel mit sitzendem Knaben als Knauf. Vollplastische Blumenranke mit einem Vogel auf der Wandung. Zwischen den plastischen Zweigen Streublättchen und Insekten, auf der Rückseite Blütenstrauß. Ungemarkt. Einige unwesentliche Restaurierungen an Blattspitzen, am Vogelschwanz und Putto.

Deckelvasen mit plastischem Astwerk geschmückt, wurden auch von anderen nordeuropäischen Fayencemanufakturen hergestellt, so in Eckernförde und Kiel. Am bekanntesten waren sicher die Modelle der Marieberger Produktion, an deren Form sich die Stralsunder häufig orientierten.. Dennoch bleibt jede solcher Deckelvasen, deren plastischer Dekor nicht in eine Form gegossen, sondern frei and die Gefäßwandung ‚angarniert’ wurde, ein individuell gestaltetes Einzelstück. Die Stralsunder Deckelvasen zählen im gesamten Ostseeraum sicherlich zu den prächtigsten und repräsentativsten Fayence-Erzeugnissen dieser Epoche. Zu der hier angebotenen Vase ist nur ein direktes Vergleichsstück aus der Privatsammlung Harmstorf bekannt.

Die Stralsunder Fayencenmanufaktur

wurde mit der Erteilung der Konzession des Rates der Stadt am 19. September 1755 vom Kaufmann Joachim Ulrich Giese (1719–1780) gegründet. Anfänglich wurden zwei Brennöfen in den Gebäuden der Manufaktur betrieben. Später kam ein dritter Ofen dazu. Giese besaß Ländereien auf der Insel Hiddensee, wo er neben dem Betrieb einer Heringssalzerei Ton abbauen ließ. Die Beschaffenheit des Tons wurde in Gieses Auftrag durch den Protophysikus Bernhard Nicolaus Weigel untersucht. Zwölf Arbeiter waren 1757 auf Hiddensee mit dem Abbau und Transport des Tons nach Stralsund beschäftigt, 57 Arbeiter in der Manufaktur (darunter Johann Georg Buchwald).

Giese unterhielt neben der Manufaktur die erwähnte Heringssalzerei, aber auch eine Tuchmanufaktur (1763–1766) und ein Bankkontor; zudem hatte er von 1758 bis 1763 die Stralsunder Münze gepachtet. Diese Geschäfte hinderten ihn daran, den Aufbau der Manufaktur voranzutreiben. 1766 verkaufte er das Unternehmen daher an Johann Ehrenreich. Dieser leitete zuvor die schwedische Manufaktur in Marieberg (1759–1788) auf der Stockholmer Insel Kungsholmen und brachte von dort 40 Dreher, Maler und andere Handwerker sowie einen Pastor mit nach Stralsund. 1769 waren bereits 77 Arbeiter in der Unternehmung beschäftigt, damit war diese Manufaktur die mit der höchsten Beschäftigtenzahl in Stralsund. Unter Ehrenreich wurde die Fayencenmanufaktur zu einer der führenden ihrer Art in Mittel-, Nord- und Nordosteuropa.

Das Unternehmen wurde durch die Explosion des Köpkenturms am Tribseer Tor 1770 in Mitleidenschaft gezogen. Die nur noch 22 Arbeiter wurden teilweise statt mit Geld mit Produkten des Unternehmens entlohnt. Nach weiteren Besitzerwechseln 1772 und 1786 wurde die Manufaktur von 1788 bis 1792 von ihren Gläubigern zwangsverwaltet.