Franz Xaver Schwanthaler

Venus entwaffnet Amor

nach einem Entwurf seines Vetters Ludwig Michael Schwanthaler (1802-1848)

München, 1848-1854

Carrara-Marmor

Höhe: 40 cm
Breite: 38 cm
Tiefe: 17 cm  Inv. Nr.: 2013

Ludwig Schwanthaler war der bedeutendste und einflussreichste Münchner Bildhauer des 19. Jahrhunderts; er hatte profunde Kenntnisse antiker Kunstwerke und entwickelte in Beherrschung der antiken Form oder auch nach klassizistischen Vorbildern eine neue eigenständige Plastik; exemplarisch hierfür ist die Venus-und-Amor-Gruppe, die auf eine Arbeit von Canova1 rekurriert.

Das zentrale Thema dieser Idealplastik, ‚Schönheit und Liebe’, hat Ludwig Schwanthaler bereits in den 1830er Jahren mit Empathie romantisch interpretiert; dem liegenden weiblichen Akt stellt der Künstler seinen freiplastisch modellierten Amor gegenüber. Dieser zweiteilige Entwurf ist nur durch Bozetti überliefert, die erstmals in der Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 2010 veröffentlicht worden sind2. Gerade in der räumlichen Trennung wird das Spannungsverhältnis der Figuren zueinander in eindringlicher Weise verhandelt.

Eine weiterentwickelte Studie zur Amor-und-Venus-Gruppe ist als skizzenhafte Bleistiftzeichnung Ludwig Schwanthalers überliefert3; von der Umsetzung sind bisher nur zwei Versionen bekannt:

Abweichend von den vorgenannten Marmorausführungen Ludwig Schwanthalers ist die hier vorgestellte, zierlichere Venus-und-Amor-Marmorgruppe eine eigenhändige Arbeit seines Vetters:

Franz Xaver Schwanthaler (1799-1854). Ebenso wie sein Vetter Ludwig hat Xaver die eigenhändig vollendeten Privataufträge in charakteristischer Weise signiert; die Venus-und-Amor-Gruppe trägt an der Sockelplatte unterhalb des Delphinkopfes das Monogramm X.S. in Form eines stilisierten Schwanes.

Das anmutige Bildwerk steht in Verbindung mit einer Gipsabformungin Privatbesitz, die sich im Bayerischen Nationalmuseum befunden hat: „Der von Xaver Schwanthaler an der Sockelplatte signierte Gipsguss geht auf ein Modell zurück, das der Künstler nach dem Vorbild der Venus-und-Amor-Gruppe seines Vetters Ludwig angefertigt hat“4.

Ausserdem gibt es eine große Ausführung von Franz Xaver Schwanthaler geschaffen 1853-55 im Auftrag von König Wilhelm I. von Württemberg für die Skulpturensammlung auf Schloss Rosenstein (heute Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr.: KRG 7370, H: 110, B: 109, T: 55 cm).

Stilistische Übereinstimmungen bestehen auch zwischen der ‚Sinnenden Nymphe’ im Bayerischen Nationalmuseum und der kleinen, von einer romantischen tiefen Verinnerlichung geprägten Venus der hier vorgestellten Gruppe, insbesondere in Bezug auf die Rückansicht und den wallenden Haarschmuck. Auch bei der Venus von Xaver umfließen die langen, weich modellierten Haare Schultern und Rücken und nur dem kritischen Auge eröffnet sich der Blick auf Amors Arm. Im Unterschied zu repräsentativen Staatsaufträgen sind die für private Auftraggeber geschaffenen Werke Schwanthalers durch ihren intimen Charakter ausgezeichnet; die allansichtige Darstellung lädt zum Dialog mit dem Betrachter und repräsentiert die Exzellenz Schwanthalers; beispielhaft hierfür ist die vorgestellte Gruppe.

Literatur:

Maaz, Bernhard, Skulptur in Deutschland, zwischen Französischer Revolution und Erstem Weltkrieg, Band I/II, Berlin/München, 2010.

Otten, Frank, Ludwig Michael Schwanthaler, 1802-1848, Ein Bildhauer unter König Ludwig I von Bayern, Passau, 1970.


1 Otten, Abb.: 308
2 Maaz, Band I, Abb.: 9
3 Ebd., Abb.: 281
4 Alabastergips, H: 49,5, B: 51, T: 25 cm, für diesen freundlichen Hinweis danken wir Frau Dr. Astrid Scherp, Konservatorin am BNM