Paar Prunk-Tafelleuchter

Friedrich Jakob Biller (1747-1810)

Augsburg, 1810

Silber vergoldet, getrieben, gegossen und graviert.

Höhe: 33 cm
Gewicht zusammen: 3794 Gramm Inv. Nr.: 2177

Provenienz: Beworben mit einer Kupfertafel im Journal des Luxus und der Moden durch den Silberhändler Heinrich Remigius Gullmann

Beschreibung

Auf einem hohen ovalen Sockel, der mehrfach profiliert und reich verziert ist mit Akkanthusblatt- und Perlschnurornament, sowie einem zentralen Fries mit Schwänen auf mattem Grund, kniet die Figur der Ceres. An ihrem rechten Fuß ein Füllhorn mit Blumen, Früchten und Ähren, ihr Blick nach oben gerichtet, hält sie in ihrer linken Hand einen zweiflammigen Kerzenaufsatz. Die Kerzentüllen, auf ovalen Tropfschalen, werden von Schlangen umwunden, dazwischen eine zentrale Ananasfrucht.

Die Tafelleuchter zeigen eine vollplastische figürliche Darstellung der römischen Göttin Ceres (griechisch Demeter). Sie ist die Göttin des Ackerbaus, der Fruchtbarkeit und der Ehe, ebenso gilt sie als Gesetzgeberin. Die Attribute der Ceres waren Früchte, Fackel, Schlange, Ährenkranz oder Ährengarbe und Ameise. Ceres wird mit weizenblonden, also goldblonden Haaren beschrieben, die oft lang getragen, aber auch zu Zöpfen geflochten sind. Manchmal trägt sie ein Füllhorn. Die sie begleitende Schlange, die in Klüften und Felsen lebt und auf der Erde kriecht, wird symbolisch weithin als chthonisches Abzeichen gedeutet.

Die Fackel trug sie als Symbol aus dem eleusinischen Mysterienkult. Die Fackel selbst bedeutet: Wegleuchten, also jemandem den Weg leuchten. Der Sage nach soll Ceres auch nachts mit einer Fackel nach ihrer Tochter Proserpina suchen. Das Füllhorn ist ein mythologisches Symbol des materiellen Glückes. Es ist in erster Linie Attribut des Plutos, des Gottes der Unterwelt und des Reichtums. Insbesondere mit dem Attribut der Fackel und der damit verbundenen Eigenschaft ‚den Weg zu leuchten’, passt die Göttin Ceres hervorragend zu einem figürlichen Tafelleuchter und findet gerade im Klassizismus entsprechende Umsetzungen .

Die Darstellung von Schwänen, hier auf dem Zierfries am Sockel der Leuchter, ist zunächst in der Antike weit verbreitet (oft als Attribut des Apollo), bevor das Motiv dann erst wieder im späten 18. Jahrhundert und vor allem im französischen Empire zur weiteren Verbreitung kommt. Die Darstellung folgt also hier dem Zeitgeschmack, insbesondere der ‚neuesten Pariser Mode’ und ist wohl als Allegorie der Liebe zu interpretieren .

Der Silberhändler Heinrich Remigius Gullmann

Heinrich Remigius Gullmann war Handelsherr und Stubenherr, königlich preußischer Rat und Resident, königlich großbrittanischer und kurfürstlich Lüneburg-Braunschweigischer Agent, sowie Silberjuwelier. Geboren in Frankfurt / Main um 1744, verstorben 1807. Die Witwe, Margarethe (geborene von Halder) führt das Geschäft (wohl) bis 1816 weiter. Die wenigen überlieferten Quellen über den Silberjuwelier und Silberhändler Gullmann zeichnen das Bild eines rührigen, erfolgreichen und renommierten Geschäftsmannes. In einer Reisebeschreibung durch Deutschland im Jahr 1781, berichtet der Autor Friedrich Nicolai über Augsburg:

„die vornehmste Silberhandlung ist die von Klaucke und Benz, denn kommt Heinrich Remigius Gullmann, Joh. Georg von Rauner, Georg Jonas Meyer und einige Goldschmiede, so auf Verlag arbeiten, die aber doch nicht im Stand sind, in nicht gar langer Zeit ein komplettes Service auf 80, oder 100 Couverts in dem verlangten Geschmack zu liefern, wie Klaucke thun kann, denn es erfordert diese Handlung gewaltig grosses Kapital “.

Wenige Jahre später, 1789 wird in dem, in Weimar von Bertuch verlegten, Journal des Luxus und der Moden, erneut über Gullmann berichtet und auf einer kolorierten Kupfertafel ein „silbernes Porte-Huilier vom neuesten Geschmack“ aus seiner Silberhandlung abgebildet. Der ‚Auszug eines Briefes von Frankfurt am Mayn’ spiegelt gleichzeitig die allgemeine Lage der deutschen Silberschmiede und Silberhändler im ausgehenden 18. Jahrhundert wider und verdeutlicht, wie man mit entsprechenden Anzeigen und Bemühungen versuchte, sich der ausländischen Konkurrenz zu stellen. Hier scheint Gullmann bereits eine führende Rolle eingenommen zu haben:

So sehr auch seit einiger Zeit die Englischen Silberplattirten Waaren das massive Silberwerk verdrängen zu wollen scheinen, so finde ich doch, dass letzteres, seines inneren Werthes und folglich seiner wahren Oekonomie wegen, an Höfen, in soliden Wirthschaften und bey geschmackvollen und vernünftigen Leuten immer noch sein altes Ansehn und Platz behält. Bey einem massiven Stück Silberwerk ist man, seines innern Gehalts wegen, immer über eine nicht ganz moderne Form entschuldigt, welches bey der plattirten Waare nicht der Fall ist, die man daher immer von Zeit zu Zeit mit modernen ersetzen, an der alten beynahe alles mit der Form verlieren, und immer neue Facon bezahlen muss. Echtes Silberwerk ist also eine wahre Oekonomie für ein solides Haus.

Die Augsburger Silberfabriken, welche von jeher wegen ihrer beträchtlichen Geschäfte berühmt, aber vor einiger Zeit in Ansehung ihres Geschmacks und der neueren schönen Formen wein wenig zurückgeblieben waren, und noch an buntstraußen Schnörkeleyen in ihrer Arbeit hiengen, haben sich seit etlichen Jahren total verbessert, von den Engländern und Franzosen schöne Formen, geschmackvolle Simplicität, und saubere stracke Arbeit gelernt; und arbeiten jetzt vollkommen schön; und in ungleich billigern Preisen als Engländer und Franzosen.

Unter andern Augsburger Silbergewölben, die ich hier durchgangen haben, fand ich das von Hr. Heinrich Remigius Gullmann, aus Augsburg am geschmackvollsten und vollständigsten assortirt. Ganz Beweise dessen was ich von seiner geschmackvollen Arbeit sage, sende ich Ihnen hierbey die Zeichnung eines silbernen sogenannten Porte-Huilier zu Essig, Oel, Senf, Zucker und Zitrone, das gewiß von schöner Form ist. Die beyden Caraffinen und Körbchen-Einsätze sind von dunkelblauem geschliffnem Glase, theils weil sich das Silber schön darauf ausnimmt, theils weil Oel und Senf weißen durchsichtigen Glase einen unreinlichen Anblick giebt. Um aber die Oel- und Essigcaraffine doch zu unterscheiden, liegt auf dem Deckel des Oelfläschchens eine silberne Olive, und auf der Essig-Caraffine eine kleine Traube. Das Ganze wiegt 6 Mark 2 Loth an Silber, und hat eine ansehnliche Grösse für eine Tafel. Auch silberne Theemaschinen von der neusten geschmackvollsten Form fand ich da; kurz ich kann Ihnen diesen Mann besonders empfehlen.

Gullmann war also nicht nur in der Lage aufgrund seines Vermögens ein großes und breit sortiertes Warenlager vorzuhalten, sondern er war auch sehr bemüht darum, Silberwaren im Stil des aktuellen Zeitgeschmack anzubieten (nach französischem oder englischem Vorbild). Dies betont er immer wieder in Anzeigen, so zum Beispiel in der Baierischen National-Zeitung, vom 7. August 1809 anlässlich einer Messeteilnahme in München:

„Heinrich Remigius Gullmann von Augsburg hat die Ehre hiermit ergebenst anzuzeigen, dass er diese Messe mit einem schönen, nach dem neuesten Pariser Geschmack verfertigten Silberlager eigener Fabrik, besucht hat. Er bittet um gnädig geneigten Zuspruch, und wird sich beeifern, durch die Billigkeit seiner Preise, sich bestens zu empfehlen; auch übernimmt er Bestellung auf jede beliebige Bearbeitung dieses Faches. Seine Niederlage ist auf dem Max-Joseph-Plaze am Eingang der Perusagasse Nro. 19 beim Hrn. Siegellack-Fabrikanten Jung“.

Im Folgejahr erscheint erneut im Journal des Luxus und der Moden eine Anzeige mit einer ganzseitigen Kupfertafel, die den hier vorgestellten Tafelleuchter (jedoch als einflammiges Model) zeigt und wie folgt beschreibt:

„Ein Tafelleuchter aus der Silberhandlung von Heinrich Remigius Gullmann seel. Erben in Augsburg. Erfindung wie Ausführung machen der Handlung große Ehre. Der Effekt solcher Figuren auf Tafeln ist höchst frappant. Sie erinnern an die schönen Signa der Alten und lassen die Säulen und andere architektonische Darstellungen im Tafelgeschirre leicht vermissen. Da Augsburg immer noch sehr geschickte Arbeiter hat, so würde leicht jede angegebene Idee auf solche Weise ausgeführt werden können“.

Es war sicherlich sehr kostspielig eine Kupfertafel des Leuchters für den Abdruck im Journal des Luxus und der Moden stechen zu lassen. Der Artikel erscheint drei Jahre nach dem Tod von Heinrich Remigius Gullmann 1810 und zeigt den Willen seiner Erben beziehungsweise seiner Frau die Silberhandlung erfolgreich weiterzuführen. Die hier vorgestellten Leuchter datieren genau aus diesem Jahr 1810 und sind vielleicht eine der letzten großen Arbeiten des Friedrich Jakob Biller, der in diesem Jahr verstarb.

Obwohl die Witwe Margarethe Gullmann die Silberhandlung (wohl) bis 1816 weiterführte, erscheint in der Zeitung des Großherzogthums Frankfurt am 25. März 1811, ein Jahr nach dem Tod von Heinrich Remigius, eine Nachricht der renommierten Augsburger Silberhandlung Seethaler & Sohn, die während einer Messe in Frankfurt Ihre Arbeiten in den Räumlichkeiten von Gullmann der Öffentlichkeit vorstellte:

Hierdurch zeigen wir allen unsern hochzuverehrenden Freunden an, dass wir nächstkommende Frankfurter Ostermesse mit unserm im neuesten Geschmacke bearbeiteten Silberlager beziehen: dieses befindet sich, wie gewöhnlich, im Braunfels über einer Stiege in den Arcaden Nr. 52 und 53.

Zu ebener Erde werden wir ein sehr bedeutendes Silberlager, welches wir erst kürzlich übernommen haben, in dem Gewölbe des seel. Herrn Heinrich Remigius Gullmann zu äußerst geringem Aufschlage zu veräußern suchen, zu recht vielem geneigten Besuche empfehlen sich Seethaler und Sohn, Königl. Baier. U. Fürstl. Oett. Wallerstein. Hof u. Silberarbeiter v. Augsburg.

Es ist nicht eindeutig zu klären, ob Seethaler das Silberlager von Heinrich Remigius Gullmann übernommen hat, oder ob es sich hier um einen Zusammenarbeit von Margarethe Gullmann und Seethaler & Sohn während der Frankfurter Ostermesse gehandelt hat. Seethaler und Sohn, wäre vermutlich die einzige Augsburger Silberhandlung, die zur der Zeit wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, ein so bedeutendes Warenlager, wie eben das von Gullmann zu übernehmen.