Emil Wolff

Selbstbildnis

Rom, 1835

Weißer Marmor, Rückseitig datiert und bezeichnet: E. WOLFF. FC. ROMAE. 1835

Gesamthöhe: 69,5 cm Inv. Nr.: 2014

Der Deutsch-Römer

Emil Wolff (Berlin 1802 – 1879 Rom) wurde 1815 Schüler an der Berliner Akademie der Künste; von 1817-1822 war er als Schüler der Bildhauerkunst und zuverlässiger Gehilfe im Atelier seines ‚Oheims’ Johann Gottfried Schadow in Berlin tätig; seit 1822 als Stipendiat der Berliner Akademie in Rom, hatte er die primäre Aufgabe, „seine Kunst zu vervollkommnen“ (Friedrich Wilhelm III.).

In Rom übernahm Wolff das Atelier seines verstorbenen Cousins Ridolfo Schadow; damit wurde die Tiberstadt zu seiner zweiten Heimat bis zu seinem Tod 1879. Hier hatte er engen Kontakt zu deutschen Archäologen und entwickelte bald eine besondere Begabung in der Kunst der Restaurierung von Antiken. Als Deutsch-Römer wurde Wolff zum gefragten Vermittler von Antiken für die königlichen Berliner Sammlungen; schon deshalb blieb er in steter Verbindung mit den Spitzen des Berliner Kunstlebens, vor allem mit Rauch und Schinkel. Seit 1832 ist Wolff auswärtiges Mitglied der Berliner Akademie der Künste, auf deren Ausstellungen er 1818 debütierte und bis zu seinem Tode mehrfach mit eigenen Arbeiten vertreten war.

Seine herausgehobene Bedeutung für das Künstlerleben in Rom wird 1871 durch die Berufung zum Präsidenten der Accadèmia di San Luca gewürdigt; dieses wichtige Ehrenamt, das seit Thorvaldsen weder einem Ausländer noch einem Protestanten zugefallen war, hat er bis an sein Lebensende ausgeübt.

Der künstlerische und kunsthistorische Rang von Emil Wolff wurde von zwei bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten geprägt: in Berlin von Johann Gottfried Schadow (1764-1850) und in Rom von Bertel Thorvaldsen (1770-1844), dem er in Freundschaft verbunden blieb und dessen antik-idealistischer Klassizismus das Œuvre von Wolf über mehr als fünfzig Jahre prägte; unübersehbar ist Wolffs künstlerische Entwicklung auch beeinflußt durch den weicheren, naturalistisch gefärbten Klassizismus von Christian D. Rauch (1777-1857).

Zu Wolffs Hauptauftraggebern zählten neben dem preußischen Hof insbesondere der englische und russische Hochadel, deren Repräsentanten sein Atelier zum beliebten Treffpunkt für Grand Tour Reisende machten. In den 1830er und 40er Jahren schuf Wolff bedeutende Kunstwerke; davon befinden sich heute zahlreiche Skulpturen in den großen internationalen Museen, von Berlin bis St. Petersburg. Maßgeblichen Anteil am Erfolg des talentierten ‚Berliner in Rom’ hatte die über Jahrzehnte währende enge Beziehung zum englischen Königshaus; u. a. schuf Wolff mehrere Bildnisbüsten von Prinz Albert (Sachsen Coburg-Gotha) und seiner Gemahlin Königin Victoria.

Das neuentdeckte Jugendbildnis

Seit 1822 in Rom, heiratete Wolff am 24. August 1835 das römische Künstlermodell Maria Margherita Guaviglia (um 1810-1879). Im Jahr der Eheschließung schuf Wolff von seiner jungen Frau eine Bildnisbüste in Marmor (Höhe und Bezeichnung unbekannt; verschollen), erwähnt in der Acta Leoni, des langjährigen Sekretärs der Accadèmia di San Luca, und, wohl aus demselben Anlaß, möglicherweise als Pendant, das bisher unbekannte, kürzlich ans Tageslicht getretene Selbstbildnis von 1835.

Das beeindruckende Selbstbildnis zeigt den Deutsch-Römer Emil Wolff; die Marmorbüste aus dem Jahr 1835 kann als wichtige Neuentdeckung gefeiert werden, denn von dem in Rom lebenden Bildhauer war bisher nur sein Altersbildnis bekannt, das den Künstler im Alter von 74 Jahren zeigt; es wird in der Skulpturensammlung der Accadèmia di San Luca in Rom aufbewahrt, dem frühen Zentrum klassizistischer Lehre und Praxis.

Die ausladende Marmorbüste mit Armansätzen und frontal gestelltem Kopf, Schultern und der in Partien nackte Brustkorb der Bildnisbüste werden von einem drapierten Manteltuch, das an eine Toga erinnert, voluminös umschlungen; sie zeigt den Künstler mit natürlich gelocktem Haupthaar, fest geschlossenen Lippen und den ins Unbestimmte gerichteten Blick; die ebenmäßigen Züge und der sinnliche Ausdruck prägen die sehr präsente Künstlerpersönlichkeit.

Das Altersbildnis

Hermenbüste, Marmor, Höhe: 58 cm. Bezeichnet (seitlich rechts): ROMA ANNO 1876, (seitlich links): EMILIO WOLFF SCOLPI SE STESSO.

In seiner Monographie über Leben und Werk Emil Wolffs beschreibt Vogel1 das Altersbildnis des Künstlers:

„Das gealterte Gesicht ist frontal ausgerichtet, der ernste, selbstbewußte Blick wird durch die Augensterne unterstrichen. Das kunstvoll antikisch um die Schulter drapierte Tuch harmoniert mit der schlichten zeitgenössischen Tracht. Mit der drei Jahre vor seinem Tod geschaffenen Selbstdarstellung gelingt Wolff eine Meisterleistung; schlaffe und tiefe Falten durchziehen das Antlitz mit eingefallenen Wangen und Tränensäcken, sie künden von der versiegenden Lebenskraft des von langer Krankheit gezeichneten, denn Wolff litt schon seit den 1830er Jahren unter starkem Rheumatismus.“

Die Gegenüberstellung

Im Vergleich von Jugendbildnis und Altersbildnis Emil Wolffs vergegenwärtigt die physiognomisch genaue Schilderung des Gesichts den Zenit im Leben des Deutsch-Römers- und die altersbedingten Veränderungen im Aussehen am Ende eines langen Künstlerlebens. Die Lebensnähe der beiden plastischen Bildwerke demonstriert das hohe Niveau der Portraitkunst und zeigt die Meisterschaft Wolffs in der technisch perfekten Behandlung des Materials Marmor.

Würdigung

Die Entdeckung des Jugendbildnisses von 1835 ist angesichts der kunstgeschichtlichen Bedeutung Emil Wolffs ein glanzvoller Gewinn für die Forschung zur Bildhauerkunst des Klassizismus im deutschen Sprachraum. Das Selbstbildnis kann in seiner Ruhe und Ausgewogenheit als beispielhafter Ausdruck klassizistischer Ideale gelten.

1Vogel, Vogel, Dietmar, Der Deutsch-Römer Emil Wolff (1802-1879), Europäische Hochschulschriften, Frankfurt, 1995. Seite 103