Lack-Kabinettschrank
Martin Schnell (1675-1740)
Dresden, um 1715
Konstruktionsholz Eiche und Fichte, teilweise furniert. Dekor in teilreliefierter Lackmalerei. Beschläge: Bronze(?)legierung, gegossen, ziseliert, punziert, graviert, blatt- und feuervergoldet, Emaildekor. Partielle Beschädigungen der Oberfläche belegen den unberührten Zustand. Im Erhaltungsbefund vergleichbar ist der Lack-Kabinettschrank aus Schloß Moritzburg(s.u.), bei dem aus Gründen wissenschaftlicher Zielsetzung jegliche Restaurierungsmaßnahmen unterlassen wurden. Originales Einlaß-Schloß mit vierfachem Schließriegel und dem original zugehörigem, geschmiedeten Schlüssel.
Höhe: 175,5 cm | Breite: 122,5 cm | Tiefe: 49,5 cm
Provenienz: Alter Schlossbesitz: CHÂTEAU DE SURY-LE-COMTAL, LOIRE.
Inv. Nr.: 1673
Der Kabinettschrank steht auf einem typisch sächsischen, geschweiften (‚gefederten’, Gisela Haase, a.a.O. Seite 36), profilierten Untergestell mit gebauchten Zargen und eingelassenem Schubkasten mit vergoldeten, tropfenförmigen Fallgriffen.
Dreiseitig geschweift ausgeschnittene Zargen formen den eigenständig ausgebildeten Stand des zweitürigen, kastenförmigen Aufsatzes. Auf den Schauseiten der Türen sind in asymmetrischer Anordnung Felsformationen mit Pavillonarchitektur und figürlichen Chinoiserien dargestellt. Die Lackmalerei steht in enger Übereinstimmung mit dem Lackkabinett aus dem Chinesischen Salon, bis 1945 im Dresdener Schloß, s.u. Die Seiten sind mit raumgreifenden, plastischen Blumenranken in rötlich-braunem Farbton bemalt, auf der rechten Seite zusätzlich mit chinoiser Figurenstaffage. Hinter den Flügeltüren liegen eine Sockelschublade mit tropfenförmigen, vergoldeten Handhaben und je zwei symmetrisch angeordnete Eck-Tablare mit geschweift konturierter Front.
Das Schrankinnere ist vollständig in leuchtendem Rotlack mit aufwendiger Goldmalerei gestaltet; Die Innenseiten der Flügeltüren sind als Relief mit üppigen Blumenbouquets in Vasen, Blütenzweigen und Bambus dekoriert. Dieser großflächige Dekor ist identisch und wohl von gleicher Hand ausgeführt, wie die Bemalung der Türinnenseiten des ebenso dem Œvre von Martin Schnell zugeschriebenen Kabinettschrankes, der 1989 vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg erworben wurde, vgl. K & A, 4-1990.
Der linke Türflügel hat oben und unten eingelassene, vergoldete und lackierte Schubriegel, die den Dekor des Schlossbeschlags und der Scharnierbeschläge aus der Schnell-Werkstatt zitieren.
Das Beschlagwerk steht in Stil und Technik in engem Zusammenhang mit gesicherten Arbeiten aus der Schnell-Werkstatt. Deutliche Übereinstimmungen offenbaren sich u.a. im Vergleich mit dem Kabinettschrank, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kunstgewerbemuseum, ausgestellt in Schloß Moritzburg; Vgl. ‚Sächßisch Lacquirte Sachen’, a.a.O, Seite 37 und ‚chinois’, a.a.O., Seite 43, Abbildung 7 und Seite 54, Abbildung 19, mit identischem Griffbeschlag (Handhaben der Schrankseiten). Erst in jüngster Zeit konnte der Nachweis erbracht werden, daß Martin Schnell die Gestaltung seiner Beschläge, mit ihren feingliedrigen farbigen Emaildekoren, keiner anderen Werkstatt überlassen hat, vgl. Monika Kopplin, a.a.O, Seite 51.
Wesentliche Übereinstimmungen mit bereits gesicherten Lackmöbeln in Bezug auf: die Formgebung des geschweift profilierten Untergestells, die charakteristischen Dekormotive, den als Unterlage für die Reliefdekore mit Smalte leuchtend blau eingefärbten Kreidegrund und das Beschlagwerk mit seinen feingliedrigen, farbigen Emaildekoren mit chinoisen Motiven, sprechen für eine Urheberschaft von Martin Schnell für das hier vorgestellte und erst jüngst entdeckte sächsische Lackkabinett.
Literatur zum Vergleich
- Sächßisch Lacquirte Sachen, Lackkunst in Dresden unter August dem Starken; Herausgegeben von Monika Kopplin und Gisela Haase, Museum für Lackkunst, 1998.
- Monika Kopplin, chinois, Dresdener Lackkunst in Schloß Wilanow
- Johanna Lessmann, Zeugnis der Chinamode, Ein Dresdner Lackkabinett für Hamburg, Kunst & Antiquitäten, 4-1990, Seite 53-55.
- Reiner Baarsen, German Furniture, Rijksmuseum, Amsterdam, 1998, Seite 44-47.