verkauft

Das Vorlegemesser Herzog Albrechts V. von Bayern


Privatsammlung Dänemark.

Süddeutschland, 3. Viertel 16. Jahrhundert

Klinge aus Stahl, Griff aus Horn; Das Blatt wird beidseitig zur Hälfte ausgefüllt von Ätzgravuren, geschmückt mit dem bayerischen Wappen und der Bezeichnung „A.H.I.O.V.N.B.“ (Albrecht Herzog In Ober Und Nieder Bayern).

Höhe: 400 mm | Breite: 58 mm

Provenienz: Vermutlich Sammlung Richard Zschille (1847-1903), Großenhain. Die Bestecksammlung wird im Jahr 1900 versteigert; Im Auktionskatalog findet sich unter Position 26 die nachfolgende Beschreibung: „Couteau de chasse dit présentoir, à lame finement gravée, offrant sur chaque coté les armoiries de la Bavière. Manche en corne. Allemagne, XVI siècle. Longeur: 40 cm.“ Beschreibung und Länge treffen exakt zu auf das angebotene Vorlegemesser; eine Abbildung ist im Katalog leider nicht vorhanden. Die Bestecksammlung von Richard Zschille gehörte zu den bedeutendsten privaten Sammlungen ihrer Art, die jemals zusammengetragen worden sind.

Inv. Nr.: 1997


Das vor kurzem in Dänemark ans Tageslicht getretene Vorlegemesser von Albrecht V. zählt zu den längst verloren geglaubten Objekten der Münchner herzoglichen Kunstkammer des 16. Jahrhunderts und seiner einstigen vielgerühmten Schätze. Das prächtige Vorlegemesser gehörte während der Regentschaft Albrecht V. zu den wichtigsten Accessoires am fürstlichen Hof und war Bestandteil der zeremoniellen Etikette; durch seine Bezeichnung ist eine direkte Zugehörigkeit zur fürstlichen Hofhaltung bezeugt. Die virtuose kunsthandwerkliche Ausführung macht das Stück zu einer besonderen Kostbarkeit.

Sehr selten sind Vorlegemesser als Paar auf uns gekommen; beispielsweise besitzt das Germanische Nationalmuseum ein Paar Présentoirs, datiert 1551[1].

Ebenso bildete das Vorlegemesser Albrechts V., zusammen mit seinem Gegenstück, ein Paar. Jetzt ist es gelungen, das Pendant in der Sammlung des Musée le Secq des Tournelles in Rouen aufzuspüren (Inv. LS 1999. 0. 31). Die Kuratorin Anne-Charlotte Cathelineau konnte uns auf Anfrage keine Angaben zur Provenienz machen.

Bei dem eng verwandten Vergleichsbeispiel des Nationalmuseet in Kopenhagen handelt es sich um das Vorlegemesser (Inv. Nr. 21670) des Sohnes von Albrecht V, Herzog Wilhelm V. von Bayern, „der Fromme“ (1548-1626). Es hat eine vergleichbare Klingenform, ist in ähnlicher Weise dekoriert und hat einen Griff aus Elfenbein. Das Vorlgemesser gehörte ursprünglich zur Sammlung des Dänischen Königs Frederik VII. (1848-1863) und ging nach seinem Tod in die Sammlung des Oldnordisk Museum (Nationalmuseet) über.

Vorschneiden[2]

Das Für- oder Vorschneiden war ein ehrenvolles Amt, das hohe Ansprüche an die äußere Erscheinung und die Geschicklichkeit des Amtsinhabers stellte. Nicht selten wurde es von jungen Adeligen ausgeübt, die das Tranchieren ebenso wie das Fechten, Reiten und Tanzen im Rahmen ihrer Ausbildung bei Hofe erlernten. Dabei entwickelten einige Vorschneider oder Trancianten ihre Kunst zu einem wahren Virtuosentum:

Ganze Geflügel wurden, auf einer Gabel steckend, in der Luft zerlegt und zerfielen anschließend in kunstvoll gestaltete Einzelteile; Tranchierbestecke wurden in die Luft geworfen und wieder aufgefangen und anderes mehr. Ausgehend von Italien wurde seit dem 16. Jahrhundert Spezialliteratur für den Vorschneider herausgegeben, die in der Regel reich bebildert war, um die verschiedenen Schnitttechniken anschaulich zu machen. Der Dienst des „Aufschneiders“ war in erster Linie jedoch nicht unterhaltsames Schauspiel; er war nötig, da in der damaligen Kochkunst Tiere meist unzerlegt zubereitet und serviert wurden. Zudem galt es für die ranghohen Teilnehmer einer fürstlichen Tafel als unehrenhaft, bei einer Mahlzeit selbst das Messer zu benutzen. Der Vorschneider zerlegte daher nicht nur den Braten, sondern er zerteilte ihn auch in mundgerechte Stücke und legte sie den Tafelgästen vor.

Das Amt des Vorschneiders entwickelte sich im 15. Jahrhundert im Zuge der Ausdifferenzierung der Hofämter aus dem Amt des Truchsess, das im Mittelalter eines der vier höchsten Ämter gewesen war. Noch im 17. Jahrhundert wurde bei besonders feierlichen Anlässen das Vorschneiden für den Fürsten von einem ranghohen Adeligen übernommen.

Vorkosten[3]

Weit verbreitet war an den Tafeln der Herrscher vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert die Angst, beim Essen vergiftet zu werden. So ging dem fürstlichen Essen ein eigenes Zeremoniell des Vorkostens und der Giftproben voraus. Mundschenk und Tranchiermeister mußten die Speisen vorkosten oder mit bestimmten, giftanzeigenden Materialien berühren, denen man magische Kräfte zuschrieb; Vorlegemesser hatten deshalb Griffe aus Horn, Elfenbein, Serpentin oder Koralle.

Im Auftrag Herzog Albrecht V. entstanden 15 große Radierungen mit Darstellung der Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohnes Erbprinz Wilhelm von Bayern mit der Prinzessin Renata von Lothringen. Das Hochzeitsessen war ein Nachtmahl im neu erbauten St. Georgssaal, bei dem die herzogliche Familie an der Tafel Platz nahm, die vom Hofstaat bedient und umstanden wurde.

Das Tafelende ist mit einem golden/roten Brokatbaldachin hervorgehoben, der den vornehmsten Platz kennzeichnet, der anlässlich des Hochzeitsfestes den Neuvermählten eingeräumt wurde. Vor der gegenüberliegenden Wand ist eine zweistufige Kredenz aufgebaut[4] und dazwischen ein großer Anrichttisch, auf dem die mit einem zweiten Teller zugedeckten Platten aufgetragen sind, bevor sie bei Tisch serviert werden. Alle Möbel sind mit weißen Damasttüchern überdeckt. Die namentlich genannten Trancheure, Schenken und Truchsessen, die direkten Zutritt zu den Tischen haben, gehören sämtlich dem bayrischen Hochadel und Adel an. Aufgabe der Hofkapelle war es, für Tafelmusik zu sorgen.

Gegenüber dem Zeremoniell, der Rangordnung und der Ausstattung des neugebauten Raumes war das Essen selbst eine Nebensache, die Tischgemeinschaft, die einen neuen Bund gründete, war bei der Hochzeit wichtiger.[5] Es ist naheliegend, dass das Vorlegemesser Albrechts V. beim Tafelzeremoniell dieser prunkvollen Hochzeit zum Einsatz kam.

Literatur zum Vergleich

[1] rechter Bildrand beschnitten, vollständige Abbildung vgl. Zischka, Seite 82-83

[2] Ottomeyer, Hans; vgl. Zischka, Seite 123.

[3] Zischka, Ulrike, S. 574 ff.

[4] Sabine Vogel; vgl. Ottomeyer, Seite 208.

[5] Zischka, S.78, Abb.: 2.2.2.