Dactyliotheca Universalis Chilias sive Scrinium Milliarium Primum / Secundum / Tertium
Philipp Daniel Lippert
Dresden, 1755–1762
Einzelne Kästen:: 48 x 19 x 38 cm | Einzelne Schubladen:: 1,8 x 15,7 x 29 cm
Provenienz: Rheinische Privatsammlung
Inv. Nr.: 1805
Drei große, in Leder gebundene Holzkästen in Buchform. Die Kästen können rückseitig mit einem leuchtend rot gefärbten Holzbrett verschlossen werden. Jeder Kasten enthält 19 Holzschubladen, deren oberer Rand jeweils rot gefärbt und deren Boden mit grünem Buntpapier ausgekleidet ist. Die in die Schublade eingeklebten Abdrücke bestehen aus der weißlichen Gußmasse, die Lippert nach eigenem Geheimrezept aus Talkerde und Hausenblase herstellte, und sind in gelbe Papierrähmchen mit geriefeltem Goldrand eingefasst, auf die jeweils mit schwarzer Tinte die Katalognummer geschrieben ist.
Der 1. und 2. Band enthalten je 1000, der 3. Band 1004 Abdrücke. In der Mitte jeder Schubladenfront sitzt ein kleiner gedrechselter Elfenbeinknopf.
Geschichte der Daktyliotheken
Der Abdruck ist Spiegelbild und Zweck des Siegels. Gemmenschneider machten schon immer Abdrücke zur Kontrolle und Dokumentation ihrer Arbeiten. Sammler tauschten Abdrücke oder Abgüsse aus, um darüber zu diskutieren oder ihre Gemmensammlung thematisch zu ergänzen. Neu war die zu Anfang des 18. Jahrhunderts geborene Idee, mehr oder weniger große Sammlungen von Abgüssen zusammenzustellen, die es auch jenen Gemmenfreunden, die sich eine Sammlung von Originalen nicht leisten konnten, ermöglichte, die ganze Welt der antiken Götter, Heroen und Menschen in diesen Miniaturbildern zu betrachten. In einer solchen Sammlung ließen sich Abgüsse von einer Qualität, wie sie mit einer Sammlung durchschnittlicher Originale nicht erreichbar war. Die Besitzer der Gemmen gestatteten diese Art von Publikation in der Regel gern, verbreitete sie doch den Ruhm ihrer Sammlung.
„Solche Abdrücke sind der größte Schatz und ein Fundament, das der in seinen Mitteln beschränkte Liebhaber zu künftigem großen mannichfalitgen Vortheil bei sich niederlegen kann“
schreibt Goethe im September 1787 in Rom[1].
Nach der 1753 publizierten und heute nur noch zwei Exemplaren[2] nachweisbaren Edition von 1000 Abdrücken wagte sich Philipp Daniel Lippert zwei Jahre später an das noch wesentlich ehrgeizigere Unternehmen, sämtliche ihm erreichbaren und für reproduktionswürdig befundenen Gemmenabdrücke in drei Tausender-Lieferungen auf den Markt zu bringen. Wie in der „Pilotausgabe“ von 1753 ist jedes Tausend in einen mythologischen und einen historischen Teil gegliedert, jeweils mit seperater Zählung der einzelnen Abdrücke, was das Zitieren etwas umständlich macht.
Trotz des programmatischen Titels „Dactyliotheca Universalis“ war das Lippertsche Unternehmen – im Gegensatz zu vielen späteren Abdrucksammlungen – dezidiert darauf angelegt, möglichst nur Abformungen nach antiken Steinen zu präsentieren. Lippert erwies sich darin als getreuer Anhänger Winckelmanns, mit dem er während dessen Dresdner Zeit in engem Kontakt gestanden hatte. Wieviel neuzeitliches Material seine Sammlung dennoch enthielt, war ihm wohl nicht bewusst. Auf längere Sicht trug das durch Lipperts Aktivitäten entscheidend beförderte allgemeine Interesse an der antiken Glyptik maßgeblich zum Aufblühen einer klassizistischen Steinschneidekunst bei und bewirkte, dass spätere Daktyliotheken aud der modernen Steinschneidekunst breiten Raum zubilligten.
Lipperts finanziell nicht unriskantes Projekt richtete sich zunächst ausdrücklich an ein gelehrtes Publikum, denn die zugehörigen Textbände ließ er nach eigenen Vorgaben von zwei bedeutenden Kennern der Antike in lateinischer Sprache abfassen: Band 1 und 2 von dem Leipziger Professor der Dichtkunst Johann Friedrich Christ (1701-1756), der kurz nach Erscheinen des 2. Bandes verstarb, Band 3 von Christian Gottlob Heyne (1729-1812), der damals noch in Dresden tätig war und erst unmittelbar nach Erscheinen des von ihm betreuten Teils den ehrenvollen Ruf als Professor der Poesie und Beredsamkeit and die Universität Göttingen erhielt.
Literatur zum Vergleich
- Augsburg, 2006, Ausstellungskatalog, Daktyliotheken, Götter & Caesaren aus der Schublade, Antike Gemmen und Abdrucksammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Hrsg.Valentin Kockel und Daniel Graepler.
- Zazoff, Peter und Hilde, Gemmensammler und Gemmenforscher, Von einer noblen Passion zur Wissenschaft, München, 1983.
- Zwierlein-Diehl, Erika, Antike Gemmen und ihr Nachleben, Berlin 2007. Seite 264 – 286.
[1] Zwierlein-Diehl, Seite 280
[2] Dillingen und Coburg